Text: Amos 5,21-24

“Ich hasse und verachte eure Feste;

    und mag eure Versammlungen nicht riechen.

[...] Tu weg von mir das Geplärr deiner Lieder;

    denn ich mag dein Harfenspiel nicht hören!

Es ströme aber das Recht wie Wasser

    und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.“

Reflexion:

2013 rief die 10. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) in Busan die ÖRK-Gemeinschaft dazu auf, sich auf einen „Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens“ zu begeben.  2014 rief der ÖRK-Zentralausschuss (das Entscheidungsgremium zwischen den Versammlungen) den ÖRK dazu auf, unsere Programme mit dem übergeordneten Thema des ÖRK-Pilgerweges der Gerechtigkeit und des Friedens abzustimmen.  Dementsprechend wurden all diese vielfältigen Programme des Rates, einschließlich des Referats Öffentliches Zeugnis und Diakonie, dazu angeregt, ihre Arbeit innerhalb des Rahmens des Pilgerweges der Gerechtigkeit und des Friedens zu beschreiben. Einige sahen im Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens eine Metapher. Andere begaben sich auf einen Pilgerweg und legten lange Strecken zurück. Ich erinnere mich gerne daran, dass sich während der Klimakonferenz 2015 in Paris, der COP 21, unsere Mitgliedskirchen und andere Kirchen zu Fuß und auf Fahrrädern auf einen „Pilgerweg der Klimagerechtigkeit“ begaben und Hunderte von Kilometern zurücklegten. Einige gingen zu Fuß über 1 000 Kilometer von Flensburg nach Paris, andere kamen aus London und wieder andere kamen aus Norwegen und Schweden.  Während der COP 21 überreichten die Glaubensgemeinschaften der UNFCCC-Exekutivsekretärin Christiana Figueres einen ehrgeizigen Aufruf für das Übereinkommen von Paris mit über zwei Millionen Unterschriften einschließlich der Unterschriften der Pilgerinnen und Pilger selbst. Darin liegt die Kraft des Pilgerweges der Gerechtigkeit und des Friedens, der die Gemeinschaft dazu anregen und motivieren kann, sich für Gerechtigkeit und Frieden aktiv zu engagieren. Dies sind einige der stärksten Vernetzungen des Pilgerweges der Gerechtigkeit und des Friedens in Europa.

Einige mögen sich jetzt fragen: Was ist der Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens überhaupt? Der Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens besteht aus mindestens drei verschiedenen Aspekten/vias:

  • Die Gaben feiern (via positiva)

Wir sind nicht mit leeren Händen oder alleine unterwegs. Gemeinsam feiern wir Gottes großartige Gabe des Lebens, die Schönheit der Schöpfung und die Einheit einer versöhnten Vielfalt. Wir fühlen uns ermächtigt von dieser Gnade, an Gottes Bewegung der Liebe, der Gerechtigkeit und des Friedens teilhaben zu dürfen.

Wir empfangen im Gebet.

  • Sich mit den Wunden beschäftigen (via negativa)

Dieser Pilgerweg wird uns an Orte führen, an denen schreckliche Gewalt und Ungerechtigkeit herrschen. Wir wollen auf Gottes menschgewordene Gegenwart inmitten des Leids, der Exklusion und der Diskriminierung schauen. Die wahre Begegnung mit realen, kontextabhängigen Erfahrungen einer zerbrochenen Schöpfung und des sündigen Gebarens gegenüber anderen Menschen kann uns an das Wesentliche des Lebens selbst erinnern. Es kann dazu führen, dass wir Buße tun und uns – in einem Prozess der Reinigung – befreien. 

  • Ungerechtigkeiten verwandeln (via transformativa

Wenn wir selbst verwandelt werden, kann uns der Pilgerweg zu konkretem Handeln für Verwandlung führen. Wir können vielleicht den Mut aufbringen, in wahrem Mitgefühl für einander und für die Natur zu leben.   Wirtschaftliche und ökologische Gerechtigkeit sowie die Heilung der Verwundeten und das Streben nach friedlicher Versöhnung ist unser Auftrag – in jedem Kontext. Wir lassen uns verwandeln durch unser Gebet und unser Handeln im Gebet.

Einfach ausgedrückt gibt uns der Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens eine Gelegenheit, die Ungerechtigkeiten zu verwandeln, indem wir die Betroffenen mit Empathie begleiten und konkrete Maßnahmen ergreifen, und dennoch die ganze Zeit die Gaben der vielfältigen Gemeinschaft, die wir haben, feiern. [1]

Was hat nun dieses übergeordnete Thema des ÖRK-Pilgerweges der Gerechtigkeit und des Friedens mit dem Pilgerweg der Wassergerechtigkeit zu tun?  Auf diese Frage antwortete Dr. Agnes Abuom, Vorsitzende des ÖRK-Zentralausschusses, sehr anschaulich in einem Interview des Ökumenischen Wassernetzwerkes:

„Ich bin davon überzeugt, dass es Verbindungen gibt, dass es Verknüpfungen zwischen der Bewegung für Wassergerechtigkeit und dem übergeordneten Thema von Gerechtigkeit und Frieden gibt. Tatsächlich ist die Kampagne für Wassergerechtigkeit ein Teil dieses übergeordneten Themas. [...] Auch können wir sehen, dass sowohl die Bewegung für Gerechtigkeit und Frieden als auch das Netzwerk für Wassergerechtigkeit Menschen an den Rändern begleiten, wo sie lernen können, Erfahrungen aus der Vergangenheit zu verwandeln und aktuelle „Wunden“ zu heilen. In beiden Bereichen ist das zentrale Konzept und der operative Begriff Gerechtigkeit. Es kann sich um wirtschaftliche Gerechtigkeit, soziale Gerechtigkeit, politische und religiöse Gerechtigkeit handeln sowie um Strukturen, die von gerechten Beziehungen mit Gott, dem Schöpfer und der geschaffenen Natur transzendieren. Sowohl der Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens als auch das Netzwerk für Wassergerechtigkeit sind Bewegungen und Initiativen, die danach streben, Fragen der Ungerechtigkeit, Unterdrückung, Ungleichheit, des Konflikts und der Gefahr für unser Leben zu thematisieren.“[2]

Das Ökumenische Wassernetzwerk des ÖRK startet jedes Jahr in der Passionszeit die Kampagne „Sieben Wochen im Zeichen des Wassers“, für die ich diese Reflexion schreibe, in einer der Regionen, in der wir die Sitzung der Referenzgruppe des ÖRK-Pilgerweges der Gerechtigkeit und des Friedens abhalten - als eine konkrete Aktion des Pilgerweges der Gerechtigkeit und des Friedens hin zur Wassergerechtigkeit. Europa ist das ganze Jahr über mit reichlichen Niederschlägen sowie mit vielen Flüssen und Seen mit sauberem Wasser gesegnet. Wenn die 11. Vollversammlung des ÖRK im August/September 2022 in Karlsruhe, Deutschland, stattfindet, sind Fragen der Wassergerechtigkeit nach wie vor wichtig. Die Botschaft, Mitglied der Blue Community[3] zu werden, ist von zentraler Bedeutung für Europa.  Für Europa ist es auch an der Zeit, darüber nachzudenken, welchen Anteil die multinationalen Kooperationen Europas an der Verschmutzung der Flüsse und Seen auf der Südhalbkugel haben. Die Botschaft des Propheten Amos „es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach“ ist eine deutliche Botschaft, um Kirchen zu ermutigen, sich für Wasser für alle und Gerechtigkeit für alle einzusetzen. Der ÖRK-Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens ist ein wirksames Mittel, beide Anliegen zu unterstützen.

Fragen:

  • Sehen Sie in Ihrem eigenen Kontext Verbindungen zwischen dem ÖRK-Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens und dem Pilgerweg der Wassergerechtigkeit? Wenn ja, nennen Sie einige Beispiele.
  • Kann es Gerechtigkeit geben, wenn ein Drittel der Welt keinen Zugang zu sauberem Wasser hat, während gleichzeitig Unternehmen Gewässer auf der Südhalbkugel aufkaufen, um Rohstoffe abzubauen oder Luxus-Themenparks zu errichten?

Aktionen:

  • Organisieren Sie ein kleines Treffen in Ihrer Kirche / falls Sie die Gelegenheit dazu haben, bereiten Sie eine Predigt vor, um das Konzept des Pilgerweges der Gerechtigkeit und des Friedens mit Wassergerechtigkeit zu beschreiben.
  • Führen Sie eine konkrete Maßnahme der Verwandlung durch, indem Sie versuchen, sauberes Wasser für eine Gemeinschaft zu besorgen, die sonst keinen Zugang zu dieser lebenspendenden Ressource hat.

Quellen

Bitte beachten Sie die Fußnoten und die folgenden Links:

https://www.oikoumene.org/news/hundreds-of-pilgrims-making-way-to-un-climate-change-conference

https://www.oikoumene.org/resources/documents/water-justice-is-integral-to-pilgrimage-of-justice-and-peace-by-dr-agnes-abuom

https://www.oikoumene.org/resources/documents/an-invitation-to-the-pilgrimage-of-justice-and-peace

https://www.lutheranworld.org/news/lwf-joins-faith-communities-call-ambitious-paris-outcome

*Prof. Dr. Isabel Apawo Phiri ist stellvertretende Generalsekretärin des Ökumenischen Rates der Kirchen und leitet alle Programme der Abteilungen des Referats Öffentliches Zeugnis und Diakonie. Sie ist eine anerkannte Theologin und hat verschiedene Bücher veröffentlicht. Sie kommt aus Malawi, Afrika.

 


[1] https://www.oikoumene.org/resources/documents/an-invitation-to-the-pilgrimage-of-justice-and-peace

[2]https://www.oikoumene.org/resources/documents/water-justice-is-integral-to-pilgrimage-of-justice-and-peace-by-dr-agnes-abuom

[3] https://www.oikoumene.org/news/wcc-blue-community-implements-water-changes-in-the-ecumenical-centre

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Prof. Dr Isabel Apawo Phiri
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