Es wäre besser für ihn, dass man einen Mühlstein um seinen Hals hängte und würfe ihn ins Meer,

als dass er einen dieser Kleinen zum Bösen verführt. Lukas 17, 2

Über viele Jahrzehnte hat der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) immer wieder Erklärungen abgegeben, die das Übel von sexuellen Misshandlungen, welches unvermindert auf der ganzen Welt grassiert, verdammen. Zuletzt erklärte der ÖRK:

Wir erkennen an, dass sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt in zahlreichen unterschiedlichen und oft nicht sofort sichtbaren Kontexten auftritt […]. Die mit Gewalt assoziierten Risiken und Folgen […] sind in vielen Kirchen und Kirchengemeinschaften ein Tabu und verhindern, dass die Kirche ein sicherer und geschützter Raum für Frauen ist, die Opfer sexualisierter oder geschlechtsspezifischer Gewalt sind oder davon bedroht werden. Die Kirche muss aktiv zur Beendigung dieser Art von Gewalt und Misshandlungen beitragen.”[1]

Seit sich der ÖRK 2011 öffentlich mit sexueller Misshandlung durch Geistliche befasste[2], wird eine wachsende Anzahl von Fällen früheren und aktuellen sexuellen Fehlverhaltens in kirchlichen Kontexten gemeldet. Kirchenleitende werden weiterhin in Fällen sexuellen Fehlverhaltens genannt, und diese Vorfälle verlangen es, dass Kirchenleitende ihre Komplizenschaft bei der Fortsetzung des Problems und beim Schutz von Misshandelnden auf Kosten der seelischen, emotionalen, physischen und spirituellen Gesundheit der Missbrauchten anerkennen.

Wir beklagen, dass sexuelle Ausbeutung, Belästigung und Misshandlungen auf der Marginalisierung von Frauen, Kindern und vulnerablen Personen beruhen. Wir beklagen, dass dies in allen Teilen unserer Gesellschaft stattfindet, einschließlich in Kirchengemeinschaften und durch Leitende, denen von ihren Gemeinschaften das Vertrauen entgegengebracht wurde, dieses Amt auszufüllen und sich um alle zu kümmern, besonders um die, die am verletzlichsten sind. Die Sünde der Misshandlungen wird allzu oft dadurch verschlimmert, dass Kirchen, Mitarbeitende, Strukturen und Systeme es versäumen zu handeln, sowie durch Worte und Taten, die den Misshandelten die Schuld zuschieben, und durch Schweigen, welches Gerechtigkeit versagt. Zuweilen hat unser kollektives Versagen darin, gemeldeten Vorfällen Priorität einzuräumen, die Wahrheit verborgen und die Missbrauchten mundtot gemacht und so die Misshandelnden geschützt

Es ist grundlegend, dass Misshandlungen eingeräumt und gebüßt werden. Aber wir müssen handeln, um zu gewährleisten, dass unsere Theologie, unsere Ausbildung, unsere Strukturen, unsere Leitung und unsere Ordnungspolitik derartige Ausbeutung und Misshandlungen verhindern. Jede Meldung oder Anschuldigung von sexueller Misshandlung muss so ernst wie möglich genommen werden und von unabhängiger Stelle untersucht werden. Alle an einer Ermittlung beteiligten sollen während des gesamten Prozesses angemessen unterstützt werden, einschließlich des Gewährens von Seelsorge, Verfahrensgerechtigkeit und Naturrechts. Wo eine Ermittlung zu dem Schluss kommt, dass Misshandlungen stattgefunden haben, muss der oder die Überlebende die bestmögliche Unterstützung und Entschädigung erhalten und die Täterin oder der Täter zur Rechenschaft gezogen werden.

Wir erneuern unsere Verpflichtung, alle Formen von Fehlverhalten, besonders Ausbeutung und Misshandlungen (einschließlich sexueller und seelischer), zu verhindern und den Schutz von Kindern zu Gewährleisten.

Wir fordern einen transparenten und systemischen Wandel in unseren Regelwerken und Praktiken, in unserer Ordnungspolitik, überall und jedesmal, wenn wir einzeln oder kollektiv innerhalb der Gemeinschaft zusammenkommen.

Wir nähern uns der 11. Vollversammlung, und der ÖRK-Zentralausschuss, der vom 15. bis 18. Juni 2022 in Genf zusammenkommt, daher:

ruft die ÖRK-Mitgliedskirchen und ökumenischen Partner auf, sexualisierte oder geschlechtsspezifische Gewalt und jede Form von Gewalt gegen Frauen, Kinder und vulnerablen Personen zu verurteilen oder ihre bereits erfolgte Verurteilung zu bekräftigen, solche Verneinung der gleichen Würde aller Menschen und derartige Gewalt zur Sünde zu erklären und Richtlinien zur Prävention von sexueller Ausbeutung, Misshandlungen and Belästigung zu implementieren.

ermutigt das ÖRK-Sekretariat, die Mitgliedskirchen und ökumenischen Partner nachdrücklich, Regelwerte und Praktiken zu etablieren und/oder zu bekräftigen, die die Misshandelten unterstützen, gründliche, unabhängige und unparteiische Ermittlungen zu gewährleisten und überführte Täter für ihr Verhalten im vollen Umfang des Gesetzes zur Verantwortung zu ziehen.

lädt die ÖRK-Mitgliedskirchen und ökumenischen Partner dazu ein, ihre theologischen und Bildungsanstrengungen sowie Bemühungen zum  Kapazitätsaufbau zu verstärken, um die Marginalisierung von Frauen, Kindern und verwundbaren Personen herauszufordern und Bewusstsein zu bilden für richtige Beziehungen und für die Verfahrensweisen, die zu befolgen sind, wenn Belästigung, Ausbeutung und Misshandlungen vorfallen

heißt die Initiative des geschäftsführenden Generalsekretärs, einen Verhaltenskodex zu entwickeln, um sexuelle Ausbeutung, Misshandlungen und Belästigung für die 11. Vollversammlung und zukünftige ÖRK-Treffen zu verhindern und darauf zu reagieren, willkommen.

 


[1] ÖRK-Exekutivausschuss: Erklärung zu sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt und zum Friedensnobelpreis 2018, November 2018.

[2] 2011 veröffentlichte der ÖRK in Zusammenarbeit mit dem Christlichen Studenten-Weltbund When Pastors Prey (in englischer Sprache) als Antwort auf Berichte über sexuelles Fehlverhalten unter Geistlichen.