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Bishop Dr Jonas Jonson

Bischof Dr. Jonas Jonson von der Kirche von Schweden hielt den Hauptvortrag mit dem Titel „Die Stockholmer Konferenz: Kontext, Ergebnisse und Relevanz“ auf der CCIA-Tagung in Athen am 19. Mai 2025.

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Hauptredner Dr. Jonas Jonson, Altbischof der Diözese Strängäs der Kirche von Schweden, erinnerte mit seiner lebhaften Beschreibung an diese erste Weltkonferenz für praktisches Christentum. 

„Die Königliche Familie, Botschafter und Botschafterinnen in Diplomatenuniform, Mitglieder der Regierung und einfache Gemeindemitglieder nahmen ihre Plätze ein, während sich Tausende von Zuschauern und Zuschauerinnen auf den Straßen versammelten, um einen Eindruck von diesem bemerkenswerten Ereignis zu bekommen.

Achtzig akkreditierte Journalisten und Journalistinnen sowie Fotografen und Fotografinnen berichteten über jedes Detail der Konferenz. 

„Was erinnert uns heute noch an die Geschehnisse in Stockholm vor 100 Jahren?“, fragte er.

Europa, so Jonson, habe den Untergang ganzer Imperien erlebt. „Der Erste Weltkrieg war eine epische Katastrophe und hat die Welt geopolitisch, sozial und spirituell grundlegend neu geordnet“, sagte er. „Ein erbarmungsloser Krieg zwischen christlichen Nationen hatte die Geschichte der Menschheit für immer verändert.“

Die Delegierten hatten ein Mandat, für ihre Kirchen das Wort zu ergreifen und auf diese Weise Teil der ökumenischen Bewegung zu werden. 

„Die engagierte Teilnahme der orthodoxen Bischöfe war von besonderer Bedeutung“, sagte er. „Ohne sie wäre diese Konferenz nur eine weitere sektiererische protestantische Veranstaltung geworden.“

Für den großen Visionär der Stockholmer Konferenz, Erzbischof Nathan Söderblom von Uppsala, waren die Kirchen alle unterschiedlich, was jedoch kein Hindernis für eine praktische Zusammenarbeit war. 

„In seinem Verständnis waren die Kirchen bereits eins im Geiste insofern, als sie sich auf Jesus Christus gründeten“, sagte Jonson. „Die Einheit musste nicht so sehr hergestellt als vielmehr erkannt werden.“

Die Teilnehmenden erinnerten sich an die zugewandte, kreative und zutiefst spirituelle Atmosphäre in Stockholm und an die während der gesamten Konferenz vorherrschende christlichen Gemeinschaft, die bittere konfessionelle und nationale Gegensätze überwand. 

„Die Weltkonferenz für praktisches Christentum hat die christliche Ethik von der individuellen auf die gemeinschaftliche Verantwortung verlagert“, sagte Jonson.  „Auf diese Weise hat sie sowohl den ungezügelten Kapitalismus als auch die sozialistische Verachtung für individuelle Rechte in Frage gestellt.“

Wenn wir heute auf die Stockholmer Konferenz und ihren Kontext zurückschauten, so Jonson, so seien evidente Parallelen zu unserer heutigen Zeit unübersehbar. „Die Delegierten in Stockholm waren mit den Realitäten ihrer Zeit konfrontiert und reagierten entsprechend, einige von ihnen auf wahrhaft prophetische Weise“, sagte er. „Ohne Illusionen versuchten sie, einen fragilen Frieden zu schützen, indem sie noch unfertige Institutionen wie den Ständigen Internationalen Gerichtshof und später den Völkerbund unterstützten.

23 Jahre später, im Jahre 1948, wurde der Ökumenische Rat der Kirchen durch den Zusammenschluss der Bewegungen für Glauben und Kirchenverfassung und für Praktisches Christentum mit der ersten ÖRK-Vollversammlung in Amsterdam gegründet. 

„Innerhalb der derzeitigen Strukturen des Ökumenischen Rates der Kirchen bleibt die Kommission der Kirchen für internationale Angelegenheiten ein wichtiges Vermächtnis der Konferenz in Stockholm 1925“, sagte Jonson.  „Starke und verbindliche multilaterale Strukturen sind in der heutigen Welt unverzichtbar.“

Jonson unterstrich ebenfalls die bleibende Verpflichtung der Kommission der Kirchen für internationale Angelegenheiten, diese Strukturen zu stärken und sich für das Völkerrecht einzusetzen.

„Die Zeit für Gottes Frieden ist jetzt“, sagte er abschließend. 

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Speakers of the Life and Work Centenary conference

Die Kommission der Kirchen für internationale Angelegenheiten (CCIA) des Ökumenischen Rates der Kirchen veranstaltet ihre 60. Tagung und die Konferenz anlässlich des 100. Jahrestages der Stockholmer Konferenz vom 18.–22. Mai 2025 in Athen, Griechenland. 

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Das Erreichen eines solchen Friedens stelle aber die Stärke und sogar die eigentliche Definition des „Völkerrechts“ in heutiger Zeit infrage, so Dr. Miltiadis Sarigiannidis, Dozent für internationales Recht an der Aristoteles-Universität Thessaloniki in seiner Antwort auf diese Grundsatzrede. 

„Das Völkerrecht ist Gegenstand eines täglichen Referenzieren und einer Interpretation durch eine Vielzahl von Anwendern und Anwenderinnen“, sagte er. „Das Völkerrecht ist zu unterscheiden von ethischen Grundsätzen, die zwar die Wertgrundlagen des Völkerrechts maßgeblich mitbestimmen, aber eine Disziplin der Philosophie sind.“

Er wies ebenfalls darauf hin, dass diplomatische Lösungen eine besondere Form der Konfliktlösung im internationalen Kontext seien, die nicht einer nationalen Rechtsordnung zugeordnet werden könne. „Im Gegenteil, Selbstjustiz und Vergeltungsaktionen sind im Normalfall verboten und in nationalen Rechtsordnungen die Ausnahme, da gerichtliche Streitbeilegung und friedliche Lösungen Vorrang haben“, sagte Sarigiannidis. 

Er bestätigte, dass die Frage der Einhaltung der Regeln und Grundsätze des Völkerrechts ein klassischer Kritikpunkt sei. „An dieser Stelle wird das Fehlen einer zentralen Institution mit effektiver Vollzugsgewalt, wie sie in den nationalen Rechtsordnungen gegeben ist, besonders deutlich“, sagte er. „In ähnlicher Weise wird die entscheidende und nachhaltige Rolle von Staaten besonders dann sichtbar, wenn sie sich dafür entscheiden, das Völkerrecht zu ignorieren.“

Grundsatzrede von Bischof Jonas Jonson: Die Stockholmer Konferenz: Kontext, Ergebnisse und Relevanz (in englischer Sprache)

Prof. Dr. Miltiadis Sarigiannidis: Antwort auf eine Grundsatzrede auf der Konferenz zum 100-jährigen Jubiläum der Weltkonferenz für praktisches Christentum in Athen (in englischer Sprache)

Die Weltkonferenz für Praktisches Christentum beginnt mit Aufruf zu „keiner Diskriminierung in der Liebe unter Mitmenschen“ (ÖRK-Pressemitteilung, 19. Mai 2025) 

Weitere Informationen über Konsultationen zur CCIA-Konferenz zum 100-jährigen Jubiläum der Weltkonferenz für praktisches Christentum in Athen

Livestream der Konferenz

Fotogalerie: Konsultationen zur CCIA-Konferenz zum 100-jährigen Jubiläum der Weltkonferenz für praktisches Christentum